Ungenutztes Potenzial: Fraunhofer ISE ermittelt riesige Solarstrom-Reserven entlang von Bahntrassen - Umdenken erforderlich
© Deutsche Bahn AG / Claus WeberFreiburg - Die Deutsche Bahn könnte künftig deutlich mehr Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen. Ein Forschungsteam unter Leitung des Fraunhofer ISE hat nun Wege aufgezeigt, wie Photovoltaikstrom direkt ins Bahnstromnetz eingespeist werden kann - ein bislang kaum genutztes Potenzial für die Energiewende.
Im Rahmen des Forschungsprojekts PV4Rail wurde erstmals ein spezieller Wechselrichter für die direkte Einspeisung von Solarstrom ins 16,7-Hz-Bahnstromnetz entwickelt und erfolgreich getestet. Gleichzeitig analysierten die Forschenden das technische und wirtschaftliche Potenzial entlang der Schienen. Die Ergebnisse zeigen: Der Beitrag der Photovoltaik zur Bahnstromversorgung könnte erheblich sein - wenn regulatorische Hürden fallen.
Potenzial entlang der Schienen: Photovoltaik übertrifft Bahnstrombedarf um ein Vielfaches
Die Deutsche Bahn gilt als größter Stromverbraucher Deutschlands. Allein der Strombedarf für den Antrieb der Züge lag 2023 laut Fraunhofer ISE bei 7,5 Mrd. kWh (7.500 GWh). Bislang wird dieser Bedarf überwiegend durch konventionelle Kraftwerke und Wasserkraftanlagen gedeckt. Direkt in das Bahnstromnetz einspeisende PV-Anlagen werden derzeit in Deutschland noch nicht betrieben. Im Forschungsprojekt PV4Rail haben die Projektpartner systematisch untersucht, wie Solarstrom direkt in das eigene Bahnstromnetz der DB eingespeist werden kann.
Das Ergebnis der Potenzialanalyse ist eindeutig: Schon in einem Umkreis von nur zwei Kilometern um Bahn-Unterwerke könnten bundesweit PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 37,6 GWp installiert werden. Der damit erzielbare Jahresertrag läge bei 32,92 Mrd. kWh (32.920 GWh), was mehr als dem Vierfachen des aktuellen Bedarfs entspricht. „Ein relevanter Teil des Energiebedarfs im Bahnstromnetz könnte durch Photovoltaik abgedeckt werden“, sagt Andreas Hensel, Projektleiter am Fraunhofer ISE.
Die Studie zeigt auch: Selbst bei konservativer Flächenbewertung und unter Berücksichtigung der Anforderungen des Bahnbetriebs ist das Potenzial enorm. Allerdings fehlen bislang die regulatorischen Voraussetzungen, um solche Projekte in die Breite zu bringen. Aktuell gibt es in Deutschland noch keine PV-Anlagen, die direkt ins Bahnstromnetz einspeisen.
Technischer Durchbruch: Neuer Wechselrichter macht Direkteinspeisung möglich
Ein zentrales Hindernis für die Nutzung von PV im Bahnstromnetz war bislang die Netzinfrastruktur selbst. Anders als das öffentliche Stromnetz wird das Bahnstromnetz einphasig mit einer Frequenz von 16,7 Hertz betrieben. Für diesen speziellen Bedarf entwickelte der Projektpartner Vensys Elektrotechnik GmbH im Rahmen des Projekts einen neuartigen Zentralwechselrichter mit einer Leistung von 2 Megawatt, der in zwei symmetrische Leistungsteile von jeweils 1 MW aufgeteilt ist. Im Multi-Megawatt-Labor des Fraunhofer ISE wurde einer der Leistungsteile getestet, wobei ein Wirkungsgrad von 96,6 Prozent gemessen wurde (inklusive Eigenverbrauch für Kühlung etc.). Das Fraunhofer ISE entwickelte zudem Regelungen für den netzbildenden Betrieb der Umrichter im Bahnnetz.
Je nach Anlagengröße wurden verschiedene Netzanschlussszenarien untersucht. Für kleine Anlagen bis 5 MW bietet sich die direkte Einspeisung in die Oberleitung an. Mittelgroße Anlagen bis 12 MW können über bestehende Unterwerke ans Netz gehen. Diese Variante weist hinsichtlich der LCoE-Kosten die geringsten Unterschiede gegenüber 50-Hz-Anlagen auf. Für große Anlagen bis 40 MW muss in der Regel ein eigenes Unterwerk mit Trafo und Schaltanlage zur Einspeisung ins 110-kV-Bahnnetz errichtet werden.
Für den Einsatz im Bahnstromnetz müssen die Wechselrichter zudem spannungseinprägend sein, um mit der Leit- und Sicherungstechnik der DB kompatibel zu bleiben. Dieses Verhalten wurde im Projekt bereits simulativ umgesetzt und könnte in einem Folgeprojekt implementiert werden.
Ausblick: Regulierung entscheidet über Marktchancen
Die Ergebnisse des Projekts PV4Rail zeigen: Photovoltaik kann ein bedeutender Baustein der Energiewende im Bahnsektor werden. Die technischen Voraussetzungen sind geschaffen, die Flächen vorhanden, die Wirtschaftlichkeit gegeben. Doch ohne Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen bleiben die Chancen ungenutzt.
Während Österreich mit der ÖBB bereits mehrere größere Bahnstrom-PV-Projekte realisiert hat, fehlt es in Deutschland noch an Umsetzung. Die Forschenden am Fraunhofer ISE sehen daher in einem möglichen Folgeprojekt den nächsten Schritt - mit dem Ziel, erste Pilotanlagen auch im deutschen Bahnstromnetz in Betrieb zu bringen.
© IWR, 2025
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