Solar-Antidumping – Wie gespalten ist die Solarbranche?
Münster - Die Antidumpingmaßnahmen gegen chinesische Solarprodukte rufen in der Solarbranche ein geteiltes Echo hervor. Hersteller aus Deutschland beklagen, dass die EU-Mindestpreise von chinesischen Produzenten umgangen werden. Die Solarhändler beklagen, dass sich der deutsche Photovoltaik-Markt wegen fehlender Preissenkungen immer weiter auflöst. Wie tief ist der Riss in der Solarwirtschaft?
Der Bonner Solar-Hersteller Solarworld gilt in Deutschland, aber auch europaweit und in den USA, als Vorkämpfer gegen Dumping und Subventions-Verstöße der Konkurrenz aus Fernost. Solarworld hat in Europa und den USA einiges erreicht: Die jeweiligen Behörden haben inzwischen Antidumping- und Antisubventionszölle auf Solarprodukte vor allem aus China verhängt. Doch nun beklagt Solarworld das trickreiche Umgehen dieser Vorschriften. Ganz anders sieht die Position beim PV-Händler und Systemhaus IBC Solar AG aus: Dort sorgt man sich um die Marktentwicklung in Deutschland. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Positionen hält sich der Bundesverband Solarwirtschaft in dieser Angelegenheit bedeckt.
Solarworld: Modul-Hersteller umgehen die Zollmaßnahmen
Über den Interessensverband EU Prosun wahrt die Solarworld AG ihre Interessen in Europa. So bekleidet Milan Nitzschke eine Doppelrolle: Er ist Präsident der Industrieinitiative EU Prosun und gleichzeitig Konzernsprecher der Solarworld AG. Nitzschke stellt gegenüber IWR Online dar, mit welchen Methoden die derzeit geltenden Mindestpreis-Regelungen für Solarmodule in der EU umgangen werden. So würden die Modul-Hersteller aus Fernost beispielsweise Kompensationsgeschäfte anbieten. Dabei kauft ein Händler eine gewisse Anzahl von Modulen, erhält aber eine zusätzliche Anzahl von Ersatzmodulen auf seine Bestellung. Diese Zusatzmodule seien für den - aus Sicht von Solarworld unwahrscheinlichen – Fall gedacht, dass die Lieferung defekte Module beinhaltet.
Eine andere Möglichkeit, diese Regeln zu umgehen, besteht darin, über Offshore-Konten einen Teil der offiziellen Kaufpreise zurückzuzahlen. So bekommen die Händler in Europa laut Solarworld einen Teil ihrer Zahlung auf Umwegen zurück.
Als weitere Methode nennt Solarworld sogenannte Marketing-Verträge: Danach soll der Händler in Europa bestimmte Marketing-Aktionen für den Modul-Hersteller aus China durchführen. Die Aktionen lasse sich derjenige Händler, der sich darauf einlässt, „sehr gut“ bezahlen. So wird laut Solarworld beispielsweise das Auslegen von Kugelschreibern oder Flyern mit bis zu 250.000 Euro pro Jahr vergütet. Zudem umgehen die Hersteller aus China die Zollmaßnahmen auch, in dem sie die Produkte über Drittländer liefern, so die Kritik.
Eigene Klage gegen Zoll-Umgehungen geplant
Nitzschke erklärte, dass man gegen diese beschriebenen Umgehungen in Kürze eine eigene Klage einreichen wolle. Der Solarworld-Konzernsprecher fordert, dass die Kontrollen der nach Europa importierten Waren durch die zuständigen Zollbehörden verstärkt und Verstöße unmittelbar geahndet werden. Die Europäische Kommission habe auch bereits eine Ermittlung zu Mindestpreisverstößen begonnen. Nitschke fügt hinzu: „Wer sich auf solche Geschäfte einlässt, geht das Risiko ein, am Ende Zölle nachzahlen zu müssen oder sogar wegen Zollbetrugs verfolgt zu werden.“
Photovoltaik-Händler IBC Solar sorgt sich um den Solarmarkt
Doch einige Branchen-Vertreter betrachten die Lage aus einem ganz anderen Blickwinkel. Jörg Ebel ist beim Photovoltaik-Systemhaus IBC Solar zuständig für „Public Affairs“. Er weist daraufhin, dass die Nachfrage in Deutschland 2014 nochmals deutlich eingebrochen ist. Diese Marktentwicklung sei einer „Zangenbewegung geschuldet“. Ebel gegenüber IWR Online: „Wir haben in den vergangenen Jahren eine drastische Reduzierung der Photovoltaik-Einspeisetarife in Deutschland erlebt; gleichzeitig sind die Modulpreise seit der Einführung der Mindestimportpreise für chinesische Produkte kaum noch gesunken.“ Der staatlich regulierte Preis für Solarmodule in Europa liege deutlich über dem durchschnittlichen Weltmarktpreis. Die Mindestimportpreise würden nun auf die Rentabilität für Photovoltaik-Projekte hierzulande drücken. Ebel erklärte: „Wir sehen nach wie vor an sich gute Chancen für PV-Anlagen, insbesondere bei der Eigenversorgung von Gewerbebetrieben. Aber potentielle Investoren hier zu überzeugen und deren nachvollziehbaren Renditeerwartungen gerecht zu werden, wird durch Mindestpreise für Module nicht erleichtert – im Gegenteil.“
IBC Solar: Mindestpreise müssen wieder abgeschafft werden
Aus Sicht von IBC Solar sind drei Dinge notwendig, damit auch der Photovoltaik-Zubau hierzulande wieder anzieht. Erstens müsse der Degressionsmechanismus „repariert“ werden. Aus Sicht des PV-Systemhauses soll deiser dem tatsächlichen PV-Zubau besser angepasst werden, indem die Vergütung steigt oder zumindest stabil bleibt, bis der Zubau wieder das gewünschte Niveau erreicht. Zweitens müsse die EEG-Umlage auf Eigenverbrauch wieder gestrichen werden. Das wäre ein positives Signal für potentielle Investoren in Eigenversorgungsanlagen. Die dritte Forderung formuliert IBC Solar unmissverständlich. Jörg Ebel: „Die Mindestpreise müssen wieder abgeschafft werden: Wir benötigen dringend wieder eine Preisbildung am Markt - und nicht durch eine Regierungsbehörde.“
© IWR, 2015
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Solarhandwerker vor Ort06.03.2015
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