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Kontroverse über Greenpeace-Energy-Studie zur Sektorkopplung

Berlin - Greenpeace Energy hat gemeinsam mit Professor Volker Quaschning von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin) eine Studie zur Sektorkopplung im Energiebereich präsentiert. Demnach braucht Deutschland im Jahr 2040 trotz erheblicher Effizienz-Fortschritte jährlich doppelt so viel Strom wie heute, und der sollte aus regenerativen Quellen stammen. Die Reaktionen auf die Studie sind gespalten.

In der Studie wird erstmals neben dem Stromsektor auch den Energiebedarf von Verkehr, Wärmeversorgung und Industrie eingerechnet. Diese Verknüpfung der Energiesektoren firmiert unter dem Stichwort "Sektorkopplung" und verursacht einen deutlich höheren Strombedarf. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten auch die Verkehr, Wärme und Industrie in Deutschland von fossilen Energieträgern auf erneuerbaren Strom umschwenken.

Klimaschutz: Paris-Ziele mit geplantem EEG 2016 praktisch unmöglich
„Mit den geringen Zubaukorridoren des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist ein Einhalten der Paris-Ziele praktisch unmöglich. Entweder fehlt den politisch Verantwortlichen der nötige Sachverstand oder sie beabsichtigen das Klimaschutzabkommen gar nicht einzuhalten“, urteilte Studienleiter Quaschning bei der Präsentation in Berlin, an der sich aus Greenpeace Energy beteiligte. Das EEG 2016 geht am Dienstag in die parlamentarische Beratung. Bereits an diesem Montag wird Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sich bei einem EU-Treffen für die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens stark machen. „Binnen einer Woche treibt die Bundesregierung zwei verbindliche Rechtsakte voran, die sich inhaltlich komplett widersprechen“, kritisierte Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation von Greenpeace Energy, „das ist klimapolitische Schizophrenie“. Die Energiegenossenschaft präsentierte die HTW-Studie „Sektorkopplung durch die Energiewende“ mit Quaschning und ergänzte sie um Berechnungen zum Bedarf an Langzeitspeichern für ein versorgungssicheres erneuerbares Energiesystem.

Wind- und Solarenergie drei bis sechs Mal schneller ausbauen
„Wir müssen die Wind- und Solarenergie drei bis sechs Mal schneller ausbauen als von der Bundesregierung geplant“, präzisierte Quaschning die Ergebnisse seiner Forschungsgruppe Solarspeichersysteme an der HTW Berlin: Die Onshore-Windkraft müsse pro Jahr um etwa 6.300 Megawatt (MW) netto ausgebaut werden statt um 2.800 MW brutto, wie im EEG 2016 anvisiert. Bei der Photovoltaik seien jährlich sogar 15.000 MW erforderlich statt der im EEG vorgesehen 2.500 MW.
Zudem listen die Experten detaillierte Maßnahmen auf, die Deutschland ergreifen müsse, um seinen Beitrag zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius zu leisten. So empfehlen sie bei der Wärmeversorgung einen zeitnahen Umstieg von Öl- und Gasheizungen sowie KWK-Anlagen auf effiziente Wärmepumpen. Erforderlich sei zudem ein rascher Abschied von fossilen Treibstoffen im Verkehrssektor, der 2040 fast vollständig elektrifiziert sein müsse. „Möglichst ab 2025 sollten in Deutschland deshalb keine Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden“, so Quaschning.
Notwendig ist der Studie zufolge auch ein Ausstieg aus der Kohle bis zum Jahr 2030, da sie für den Großteil der CO2-Emissionen aus der Energiewirtschaft verantwortlich ist. „Um ohne Kohlestrom die nötige Versorgungssicherheit zu gewährleisten, brauchen wir Langzeitspeicher für erneuerbare Energien“, sagte Keiffenheim. „Dieses wichtige Thema ignoriert die Bundesregierung im EEG 2016 aber komplett.“

Die Welt: "Tod des Verbrennungsmotors" und "mentale Vorbereitung auf 80.000 Windturbinen"
Die Erkenntnisse der Studie stoßen bei der Tageszeitung "Die Welt" auf wenig Verständnis. Unter der Headline "Die absurden Auswüchse des Klimaschutzes" werden die Thesen aus Quaschnings Studie kritisch beleuchtet. So bemängelt die Welt, dass in der Studie nicht darauf eingegangen wird, was beispielsweise "der politisch verordnete Tod des Verbrennungsmotors innerhalb der nächsten zehn Jahre für die deutsche Automobilindustrie" bedeuten würde. Beim Ausbau der Windenergie müssten "die Landbewohner sich – und ihre Kinder – mental darauf vorbereiten, dass aus den 26.000 Rotortürmen, die heute bereits in der Landschaft stehen, in den nächsten Jahren gut 80.000 Anlagen werden, wenn Greenpeace mit der vorgelegten Studie den Weg zum Pariser Klimaziel denn richtig beschreibt." Via Twitter erklärte der Welt-Redakteur zudem, dass die Studie die "irren Auswüchse des Klimaschutzes" enthülle.

© IWR, 2016

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22.06.2016

 



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